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Leitartikel der Woche

Tradition und die heile Welt der Landwirtschaft
Silvia Böhler silvia.boehler@rzg.at
Im September kehren etwa 1000 Älpler mit ihrem Vieh ins Tal zurück. Die Alpwirtschaft hat in Vorarlberg eine lange Tradition und Jahr für Jahr werden die Heimkehrer von zahlreichen Schaulustigen – Einheimische sowie Touristen - empfangen. In den Gemeinden wird mit einem Fest, Blasmusik, Speis und Trank gefeiert - der Eindruck einer heilen Welt entsteht. Doch wird geanuer hingeschaut zeigt sich ein anderes Bild der heimischen Landwirtschaft.

Zum einen werden den Tieren beim Alpabtrieb viel zu große und schwere Glocken um den Hals gebunden; Das ist wohl eher der Prestigegier der Menschen geschuldet, denn für die Tiere nützlich, zum anderen darf nicht vergessen werden, dass nur ein Teil der Rinder in den Genuss der guten Bergluft und der Wiesenkräuter kommt. In Vorarlberg verbringen rund 35.000 Rinder die Sommermonate in den Bergen, der Großteil ist Jungvieh, nur etwa 8.000 Milchkühe dürfen auf die Alp. Das entspricht einem Drittel der heimischen Milchkühe, zwei Drittel müssen zu Hause bleiben. Hochleistungskühe sind nicht für die Berge geeignet - und welche verheerenden Haltungsbedin­gungen in manchen Ställen herrschen, haben die Aufdeckungen der vergangenen Monate und Jahre gezeigt.

Aber nicht nur in Sachen Tierschutz liegt in der Landwirtschaft einiges im Argen. Insbesondere die Alpwirtschaft kann schon lange nicht mehr kostendeckend betrieben werden und rentiert sich für die Bauern nur, weil Millionenbeträge von Land, Bund und EU fließen. Dies auch, weil Alpbetriebe zur Landschafts­pflege beitragen, die Biodiversität fördern und das Weidevieh die Alpflächen waldfrei hält. Nur so kann die Landschaft auch für Erholungssuc­hende, sprich den Tourismus, bereitgestellt werden. Jährlich verbringen über zwei Millionen Menschen ihren Urlaub in Vorarlberg. Neben dem Skifahren interessieren sich immer mehr Gäste fürs Wandern, Radfahren und E-Biken – und die Berge spielen dabei eine wichtige Rolle. Eine lebendige Alpwirtschaft und die damit verbundenen Landschafts­pflege­leis­tungen sind Voraussetzungen für den Tourismus, betonen Landeshauptmann Markus Wallner und Landesrat Christian Gantner im Land- und Forst­wirt­schaftsbe­richt 2023, der morgen vorgestellt wird.

Das Vorgaukeln einer heilen Welt und ein ordentliches Spektakel rund um den Alpabtrieb, allein zum Gefallen der Menschen, gehören da wohl dazu.

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