Für das Miteinander müssen wir uns entscheiden
Gedanken zum Weihnachtsfest von Bischof Benno Elbs
Foto: Mathis Fotografie
„Jetzt ist das Warten endlich vorbei“, wird sich vermutlich so manches Kinderherz in diesen Tagen denken. Es ist immer sehr berührend, wenn Kinder vor dem Christbaum stehen, die Augen zu leuchten beginnen und sie ganz fasziniert sind vom Zauber dieses Festes.
Weihnachten kann man auf verschiedene Arten erleben. Die kindlich-ungeduldige Erwartung und Vorfreude ist das eine. Die Einsamkeit und die Sorge um die Zukunft, die in den letzten Monaten in Folge der Inflation und Teuerung vielleicht stärker spürbar waren als sonst, das andere. In der Tat prägen Verunsicherung, Angst und das Gefühl, zurückgelassen zu werden, das Leben vieler Menschen in unserem Land. Umso mehr müssen wir darauf achten, dass niemand übersehen wird oder auf der Strecke bleibt.
Der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft fällt jedoch nicht vom Himmel. Für das Miteinander müssen wir uns entscheiden, es pflegen und uns darum jeden Tag neu bemühen. Der Blick in die Krippe kann uns dabei helfen. Denn die Geburt Jesu legt uns drei Haltungen ans Herz, die das Miteinander in unserer Gesellschaft stärken können.
Mitgefühl
Die erste Haltung ist das Mitgefühl. Wenn wir ein kleines Kind sehen, wissen wir, was es zum Leben braucht: ein Lächeln, die Liebe der Eltern, Herzenswärme, Geborgenheit, Geduld und vieles mehr. Genau das ist es auch, was nötig ist, um die Welt gerechter und menschlicher zu gestalten. Weihnachten zeigt uns, was es bedeutet, die Welt von einem Kind und seinen Bedürfnissen her zu denken. Mitgefühl meint genau das: sich in die Situation eines anderen Menschen hineinzuversetzen und sich zu fragen: Was braucht er oder sie, um gut leben zu können? Mitgefühl lässt uns erkennen, dass wir zusammengehören. Das Menschsein verbindet uns – mit aller Schönheit und Begrenztheit, Würde und Zerbrechlichkeit.
Solidarität
Das Menschsein verbindet uns aber auch mit Gott. In Jesus ist Gott selbst Mensch geworden, um unser Leben mit uns zu teilen. Man könnte sagen: Durch die Geburt Jesu solidarisiert sich Gott mit uns Menschen. Er nimmt unser Menschsein an und damit auch alles, was uns belastet und niederdrückt. Und eben weil Jesus alle Facetten des Menschseins kennt – schöne und sorgenvolle, von der Geburt in der Krippe bis zum Tod am Kreuz –, kann er uns in jeder Situation unseres Lebens die Zuversicht geben: Ich stehe an deiner Seite. Darum ist die Solidarität die zweite Haltung, die wir vom Blick in die Krippe lernen können.
Für eine solidarische Gesellschaft brauchen wir v.a. lebendige und belastbare Gemeinschaften – Familien, Freundschaften, Pfarrgemeinden, Vereine und soziale Initiativen. In Gemeinschaft erleben wir, dass wir manchmal diejenigen sind, die solidarisch andere durch schwierige Zeiten hindurchtragen. Und manchmal sind es wir selbst, die Hilfe brauchen. Diese „tragenden Gemeinschaften“ müssen wir schützen und stärken.
Zuversicht
Die dritte Haltung, die wir an der Krippe lernen, ist die Zuversicht. Zuversicht ist eine innere, stille, von Gott geschenkte Kraft, die neue Energien des Herzens freilegt. Wer zuversichtlich lebt, wirkt auch ansteckend auf andere. Mit großer Dankbarkeit denke ich heute an die vielen Menschen, die in Beruf oder Ehrenamt trösten, heilen, begleiten, helfen oder durch ihre Spende Menschen in Not unterstützen. Sie alle sind Menschen der Hoffnung, die das Miteinander in unserem Land stärken.
Zu Weihnachten mischt sich Gott in unser Leben ein, um uns aufzurichten und neue Kraft zu schenken für alles, was kommen mag. Von Herzen wünsche ich Ihnen, dass Sie das Kind in der Krippe berührt und Sie weihnachtlich leben können: als Menschen, die anderen Menschen mit Mitgefühl und Verständnis begegnen; als Menschen, die solidarisch auf andere zugehen und darauf achten, dass niemand zurückgelassen wird; als Menschen, die Zuversicht ausstrahlen und hoffnungsvoll in die Zukunft blicken. Ihnen allen ein frohes, gesegnetes Weihnachtsfest.
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