„Er wollte immer Erster sein“
Vor 100 Jahren gastierte Ernest Hemingway im Montafon. Ein Rückblick
Das alte Foto zeigt Ernest Hemingway mit Freunden.
Foto: Montafin Tourismus
Ernest Hemingway liebte das Skifahren im Montafon.
Foto: Montafin Tourismus
Neben Günther J. Wolf (r.) war auch Andreas Brugger als Experte in das Posthotel Taube geladen.
Foto: Montafon Tourismus
Skisport – Jagd – Glücksspiel – Frauengeschichten - das sind die Erinnungen an Ernest Hemingways feuchtfröhliche Aufenthalte im Montafon vor exakt 100 Jahren. Der ehemalige Chefredakteur der Bezirkszeitung „Bludenzer Anzeiger“ und „Unter uns gesagt“-Kolumnist Günther J. Wolf war als ausgewiesener Hemingway-Experte ins Posthotel Taube in Schruns geladen und gab Einblicke in das Leben des Schriftstellers.
Es war Günther J. Wolf, der durch seine Recherchen die Montafoner wieder an den bedeutenden amerikanischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, Ernest Hemingway, erinnerte. „Paradies ohne Wiederkehr“ titelte der Journalist und Autor sein Standardwerk über den Literaturnobelpreisträger. Der Grund: Wolfs Recherchen ergaben, dass sich Hemingway später durchaus nach dem Montafon erkundigte. Man riet ihm aber ab, erneut hinzufahren. Das Tal hätte sich verändert.
„Ernest Hemingway wollte immer der Erste sein – bei den Frauen wie auch auf den Skiern.“
Günther J. Wolf Hemingway-Experte
Unverspurte Hänge
Die abgeschiedenen Schutzhütten waren bereits mit Seilbahnen und Straßen erreichbar, es gab die Staumauer des Silvrettasees hinter „seinem“ Madlenerhaus und statt unverspurter Hänge gab es präparierte Pisten. Wolf ist bis heute überzeugt: „Er wäre enttäuscht gewesen.“ Wissen kann man es freilich nicht.
Erinnerungen
Doch so wie es war, hat es bei Hemmingway bleibende Eindrücke hinterlassen. Immer wieder tauchen in seinen Werken Erinnerungen an die beiden Aufenthalte in Vorarlberg auf. Beispielsweise in der berühmten Kurzgeschichte „Schnee auf dem Kilimandscharo“.
Zimmer für 2 Dollar pro Tag
Dass Hemingway das Montafon besuchte, ist jetzt exakt 100 Jahre her. Das Jubiläum wurde im Posthotel Taube in Schruns gefeiert – dort, wo die dreiköpfige Familie Hemingway monatelang logierte. In Zimmer 22 mit Vollpension für zwei Dollar am Tag. Noch heute kann man sich in der Gaststube der Berühmtheit nahe fühlen, besonders am Montafoner Tisch mit Schieferplatte, die schon zu seinen Lebzeiten das Hinkritzeln von Spielschulden erlaubt hatte.
Auch Hemingway nahm an den Pokerrunden teil. Sie fanden hinter verschlossenen Türen statt. Wenn die Polizei patrouillierte, löschten die Teilnehmer kurz das Licht. Es muss eine illustre Runde gewesen sein, denn die Rede ist davon, dass auch im Tal bekannte Politiker mit von der Partie waren. Dabei erarbeitete sich Hemingway auch einen Ruf als trinkfester Ausländer, der die Einheimischen selbst beim Schnapseln mit Kirschwasser übertraf. Zur Feier hatte sich die Besitzerfamilie des Posthotels Taube um Barbara und Walter Frei sowie Lorenz Frei-Hilti das Lieblingsmenü des illustren Gastes in Erinnerung gerufen: Zwiebelrostbraten mit Sardellen, Kapern und Speck.
Narzisstischer Höhenflug
Danach erfuhren die Gästen, dass Hemingway als erfolgreicher Schriftsteller einen „narzisstischen Höhenflug“ durchlebte und sich besser darstellte, als er tatsächlich war. „Er versuchte, ein Bild von sich zu schaffen, das ihn größer und heldenhafter erscheinen ließ. Doch darunter litt er selbst“, schilderte Historiker Andreas Brugger. Und Wolf fügte hinzu: „Er wollte immer der Erste sein – bei den Frauen wie auch auf den Skiern.“ (dh)
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