Jäger wollen nicht die Sündenböcke sein
Waidmänner hadern mit Freihaltebescheid und wollen rechtlich sichere Lösungen
Der Waldverein fordert den vermehrten Abschuss von Gämsen. Die Jäger sehen es anders.
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Interessen des Vorarlberger Waldvereins und der heimischen Jägerschaft bergen einige Konflikte in sich. Der „Bludenzer Anzeiger“ stellt beide Sichtweisen dar.
Gleich vorweg: Es geht nicht darum, irgendwelche Feindbilder zu schaffen oder Keile zwischen die einzelnen Interessensgruppen zu treiben. Vielmehr berufen sich beide Seiten auf ein Urteil des Landesverwaltungsgerichts, das nach einer Beschwerde des Vereins „Freies Bayern“ (setzt sich für den Schutz von Wildtieren ein) einen sogenannten Freihaltebescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz aufhob. Ein solcher besagt, dass Wild (im speziellen Fall Gamswild) ganzjährig geschossen werden darf. Der „Bludenzer Anzeiger“ berichtete darüber. In einer Aussendung betont der Waldverein Vorarlberg hingegen, dass der Gamswildbestand überhaupt nicht gefährdet sei. „Das wird auch in einem Bericht des Umweltbundesamtes in Bezug zur Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie an die EU bestätigt“, argumentiert Waldverein-Obmann Klaus Schwarz.
„Wir wollen nicht alles abschießen. Wir sind vielmehr an einer nachhaltigen Bewirtschaftung interessiert.“
Gernot Heigl Geschäftsführer Jagdverband
Rund 400.000 Gämsen
Insgesamt wird die Gamswild-Population im Alpenraum auf 400.000 geschätzt. Der Waldverein befürchtet durch Wildverbiss eine Verschlechterung des Schutz- und Jungwaldes, der schon jetzt vielen Hemm- und Stressfaktoren ausgesetzt sei. Die Forderung: „Der Jagddruck wird in einem begrenzten Gebiet zeitlich erhöht, damit der Schutzwald und dessen Verjüngung nicht geschädigt wird.“ Denn viele Gebiete in Vorarlberg wären laut Waldverein ohne Schutzwaldwirkungen nicht oder nur bedingt besiedelbar. In Vorarlberg gibt es in zehn Gebieten und auf insgesamt 10.000 Hektar Fläche sogenannte Freihaltungen. „Das ist doch eine sehr große Fläche“, bekräftigt Gernot Heigl, Geschäftsführer der Vorarl-berger Jägerschaft. Zudem sei hierzulande – anders als in anderen Bundesländern – die Forst- und Jagdwirtschaft historisch getrennt. Dadurch entstehen Konflikte, da die Interessen durchaus unterschiedlich sind. Während der Waldverband eine – mitunter drastische – Dezimierung des Wildbestandes fordert, sehen die Jäger die Abschusszahlen vielfach als viel zu hoch an. „Jägern haftet vielfach das Image an, dass sie alles schießen wollen. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall. Die Schonungslosigkeit ist uns ein Dorn im Auge. Wir sind vielmehr an einer nachhaltigen Bewirtschaftung interessiert“, erklärt Heigl. Nur in Einzelfällen brauche es harte Maßnahmen. „Zudem halten wir die errechneten Abschusspläne durchaus ein.“
„Wir fordern eine rasche rechtliche Korrektur und Neuerlassung des Freihaltebescheides für Gamswild.“
Klaus Schwarz Obmann Waldverein
Dass das Landesverwaltungsgericht den Freihaltebescheid der BH Bludenz aufhob, kam für den Geschäftsführer der Jägerschaft nicht überraschend. Denn dafür hätte es in der Region zuerst eine Bestandsaufnahme geben müssen, was die Population des Gams- und Steinwildes betrifft. Die Jägerschaft wurde aber damit nicht beauftragt. Es gibt keine genauen Zahlen. Dabei geht es nicht nur um die Stückzahl, sondern auch und die Zusammensetzung von Alter und Geschlecht der Gämse. Gerade im Großwalsertal blicke man mit einer gewissen Sorge auf die Gams und deren Bestand. „Zurückhaltung wäre da durchaus gefragt“, appelliert Gernot Heigl.
Gespräche mit BH und Land
Mittlerweile erfolgten gemeinsame Gespräche mit dem Land und der Bezirkshauptmannschaft. Die BH hat die Aufhebung zur Kenntnis genommen, prüft die Sachlage. „Es ist in jedermanns Interesse, dass es eine rechtliche Sicherheit gibt“, ergänzt Heigl. „Wenn beim Gamswild Maßnahmen zur Verbesserung des Erhaltungszustandes gesetzt werden müssten, dann müssen diese in der Abschussplanung der normalen Gamswildjagd oberhalb des Waldes gesetzt werden. Denn dort sind nicht die im hohen öffentlichen Interesse stehenden sehr wichtigen Schutzwaldlagen betroffen“, argumentiert wiederum Waldverein-Obmann Klaus Schwarz. Gefordert wird daher eine rasche rechtliche Korrektur und Neuerlassung des Freihaltebescheides für Gamswild.
von Dietmar Hofer
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