
Silvia Böhler
Wertekurs für die neue Regierung
Am Dienstag haben ÖVP und FPÖ ihr gemeinsam erarbeitetes Regierungsprogramm präsentiert. Unter dem Titel „Der Vorarlberger Weg – mit Mut und Verantwortung für unser Land“ beschreibt die schwarz-blaue Koalition auf knapp 100 Seiten ihre Vorhaben für die nächste Legislaturperiode.
In sieben Themenblöcken werden die künftigen Arbeitsschwerpunkte festgehalten. Wie zu erwarten war, wird der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes große Aufmerksamkeit geschenkt. Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung sind denn auch mit dem Weg, den die Koalition einschlägt, sichtlich zufrieden. Beide loben das Programm, in dem sie ihre Forderungen großteils wiederfinden. Jetzt gelte es diese Versprechen und Vorhaben umzusetzen. Weniger Lobbyarbeit haben offenbar die Frauenorganisationen betrieben. Im neuen Regierungsprogramm wird der Frauenpolitik nur knapp eine Seite gewidmet.
Neben kleineren Verweisen in anderen Kapiteln, wie beispielsweise, dass Altersarmut der Frauen vermieden werden soll oder, dass Frauen in der Landwirtschaft einen wertvollen Beitrag leisten, findet sich die frauenpolitische Agenda der schwarz-blauen Regierung in erster Linie im sogenannten Kapitel „Zusammenhalt für ein gutes Miteinander stärken“. Zu Beginn wird die Familie als Fundament unserer Gesellschaft definiert und ein Bekenntnis zur modernen Familienpolitik, der echten Wahlfreiheit und einem gleichberechtigten Miteinander von Frauen und Männern gegeben. Darauffolgende Formulierungen machen dann deutlich, welches Familien- beziehungsweise Frauenbild von der Regierung goutiert wird. Unter anderem heißt es: „Durch gezielte Maßnahmen sollen Frauen in Technikberufen gefördert und bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützt werden“. An anderer Stelle: „Eltern, insbesondere Frauen, sollen beim verstärkten Fokus auf Kindererziehung oder Pflege Angehöriger keine Nachteile erfahren“. Die Väter werden bei der Erziehungs- und Pflegearbeit komplett ausgeklammert und auch die faire Aufteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit wird nicht weiter erwähnt. Ebenso finden sich im Programm keine Maßnahmen, wie die in Vorarlberg besonders hohe Lohndiskrepanz zwischen Frauen und Männern beseitigt oder wie der Anteil von Frauen in Führungspositionen erhöht werden kann. Um gleiche Chancen am Arbeitsmarkt zu forcieren, plant die Regierung stattdessen ein freiwilliges Transparenzmodell für Unternehmen zur Sichtbarmachung ihrer Gleichstellungsbemühungen. Damit schiebt die Regierung die Verantwortung an die Betriebe weiter.
Für mich lassen sich aus dem neuen Programm keine deutlichen Verbesserungen für die Frauen erkennen und es stellt sich die Frage, ob die aktuelle Regierung den für Migranten vorgesehenen Wertekurs zur Aufklärung über Gleichberechtigung nicht auch selbst besuchen sollte.